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Grafenegg Academy

Rückblick 2022 & Ausblick 2023

Veröffentlicht: 29/11/2022

Vergangenen Sommer konnten in Grafenegg erstmals wieder, nach zweimaliger Absage aufgrund der Corona-Pandemie, junge Musiktalente aus aller Welt für die Grafenegg Academy zusammentreffen, um sich gemeinsam mit der Musik auseinanderzusetzen, künstlerische Ideen auszutauschen und neuen Arten des Musizierens nachzugehen. 

Nach einem erfolgreichen ersten Jahrgang unter der Leitung der künstlerischen Kuratoren Håkan Hardenberger und Colin Currie laufen nun bereits die Vorbereitungen für die Grafenegg Academy 2023 auf Hochtouren. Colin Currie gibt hier einen ganz persönlichen Einblick in die geplanten Ereignisse.

Der Start der Grafenegg Academy hat sich durch die Pandemie verzögert, doch 2022 konnte es richtig los gehen. Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?

2022 haben wir die schon für 2020 mit größter Leidenschaft und Begeisterung geplanten Projekte endlich verwirklichen können. Zu dem ursprünglich geplanten Repertoire haben wir aber auch noch einige weitere Werke hinzugefügt. Es war so schön, endlich die vollständige Besetzung an Musiker:innen willkommen heißen zu dürfen und gemeinsam spannende Tage voller Lebensfreude und musikalischer Neuentdeckungen zu erleben.

2023 wird die berühmte Geigerin Alina Ibragimova als zusätzliche Kuratorin zur Academy stoßen. Was macht sie aus?

Das gesamte künstlerische Team von Grafenegg fühlt sich durch Alina Ibragimovas Anwesenheit geehrt und ist begeistert von ihr, denn Alinas Ruf als exzellente, charmante und leidenschaftliche Künstlerin eilt ihr voraus. Die große Vielfalt in ihrer Karriere, die sich über Jahrhunderte in der Musikgeschichte und alle erdenklichen Formate (von der Solistin bis hin zur Kammermusikerin, Regisseurin, Botschafterin, Pädagogin und Mentorin) erstreckt, entspricht genau den Idealen der Grafenegg Academy, die ihre Teilnehmer:innen dazu ermutigt, über gewöhnliche Karrieremuster hinauszudenken und im Musiker:immenberuf neue Richtungen mit Ehrgeiz einzuschlagen. Wir können es kaum erwarten, mit Alina zu arbeiten und zu musizieren!

Alina Ibragimova
Alina Ibragimova © Eva Vermandel

Wir haben uns entschlossen, zwei hervorragende Komponisten vorzustellen, die 2023 wichtige Jubiläen begehen: wir feiern György Ligetis 100. und HK Grubers 80. Geburtstag. Beide Komponisten haben nicht nur einen individuellen, einzigartigen Stil, sie sind auch sehr ihrer Heimat, dem Folkloristischen und dem Traditionellen zugewandt und haben doch eine starke Verbundenheit zum Kanon der klassischen Musik. 

Wir bringen sie in Zusammenhang mit Werken von Bartók, Haydn, Bach und, gleichsam zeitlich vorwärts gehend, mit der Musik des dänischen Komponisten Hans Abrahamsen. Alina Ibragimova, Håkan Hardenberger und ich haben es im Verlauf unserer Karriere stets ernst genommen, wichtige Außenseiter:innen des musikalischen Schaffens des 20. Jahrhunderts aufzuführen. 

Das Bestreben, diese kreativen Genies neben früheren, und auch ganz neuer Musik zu präsentieren, spiegelt sich nun in der Philosophie der Grafenegg Academy wider.

Das Bewusstsein, Präsentationsformen und Veranstaltungsformate neu überdenken zu müssen, wird gerade im Musikbereich zu einem immer wichtigeren Thema.

Wir wollen diese Diskussion hier eröffnen und gleichzeitig die Gelegenheit nützen, eine wunderbare Sammlung kleinerer, intimerer Werke zu präsentieren. Unser Eröffnungskonzert wird daher eine «musikalische Collage», die von einem variierbaren Ensemble aufgeführt wird, zur Gänze aus jungen Berufsmusiker:innen, unseren Tutor:innen sowie Kurator:innen bestehen. Das Repertoire fließt dabei von einer Gruppe zur nächsten. 

Diese Veranstaltung gipfelt in der österreichischen Erstaufführung eines Werkes, das sich als das letzte Werk des amerikanischen Bildstürmers George Crumb herausstellen sollte: sein grandioses, emotionales «Kronos-Kryptos». Dieses Stück bildet auch die Basis für zwei miteinander verwandte Themen, die unsere Programme in der Konzeption weiter zusammenführen und die auch mit Musik eng verbunden sind – «Zeit» und «Mysterium».

Im Rahmen der Grafenegg Academy 2023 sind gleich zwei Prélude-Konzerte eingeplant. Was steht auf dem Programm?

Die Prélude-Konzerte der Grafenegg Academy bieten eine ideale Plattform für neue Kreativität. Unser erstes Prélude-Konzert befasst sich mit der einzigartigen Natur eines «Concertante»-Stücks und damit, was ein Solo in einem Werk für ein Kammermusikensemble definieren kann. Die ideale Weise, ein solches Konzert zu beginnen, ist mit einem der Brandenburgischen Konzerte von Johann Sebastian Bach. Alina leitet in diesem Sinne die Aufführung des Brandenburgischen Konzerts Nr. 3 in G-Dur. Håkan übernimmt anschließend die Leitung der reizenden «MOB-Stücke» von HK Gruber, die den Komponisten in seiner vielleicht charmantesten, heitersten und melodischsten Stimmung wiederfinden. Abschließend kommen wir zu György Ligetis «Hamburger Konzert», bei dem ein Solo-Horn im detailreichen Dialog mit vier Hörnern des großen Kammerensembles steht. Dieses Werk verzaubert und alarmiert gleichermaßen und wir freuen uns, dieses Meisterwerk in Grafenegg präsentieren zu dürfen. 

Im zweiten Prélude-Konzert wollen wir ein Hauptwerk von Béla Bartók präsentieren, das den Kontext für Ligetis Erweiterung dieser besonderen musikalischen Dialektik bildet. Wir haben uns für das «Divertimento für Streicher» von Bartók entschieden, das uns hierfür als ideal erscheint, da es den volkstümlichen Wurzeln des Komponisten nachspürt und gleichzeitig tief in die drohenden Abgründe der Moderne blickt. Alina wird diese Aufführung leiten, bevor sie bei unserem großen Finale als Solistin am Wolkenturm auftritt. Bartók wird mit einem Werk des französischen Komponisten Phillipe Manoury für Blechbläser und Schlagzeug mit seinem typisch lebhaften und spritzigen Stil kombiniert. Die erste Seite der Partitur schreibt ganz klar vor, dass dieses Werk «sans chef» aufgeführt werden muss – und so werden wir es auch machen.

Grafenegg Academy Orchstra
Grafenegg Academy Orchstra © Lukas Beck

Am 16. Juli 2023 gipfelt die Grafenegg Academy mit einem Orchesterkonzert am Wolkenturm.

Für unser Hauptkonzert werden wir so viele Fäden wie möglich zusammenführen – die Tradition einer Haydn-Symphonie (Nr. 101, die unser «Zeit»-Thema in «Die Uhr» genannten Sinfonie darstellt) fortsetzen und mit Bartóks «Tanzsuite» abschließen, die für den Komponisten zur Entstehungszeit zwar ein Riesenerfolg war, inzwischen aber zu einem unterschätzten Werk in seinem Oeuvre geworden ist. Alina Ibragimova ist die hinreißende Solistin im Violinkonzert Nr. 2 «Nebelsteinmusik» von HK Gruber unter der Leitung von Gruber-Verehrer Maestro Hardenberger, und ich werde als letzter in der Reihe die unheimlichen «Melodien» von Ligeti dirigieren.

Was für ein Programm erwartet die Teilnehmer:innen bei der Grafenegg Academy 2023 abgesehen von der Einstudierung des Konzertrepertoires?

In diesem Jahr haben wir an der Akademie auch etwas freier strukturierte Zeit für die Teilnehmer:innen eingeplant, damit Raum für Instrumentalunterricht bleibt. Events zur Aufführungspraxis, Orchesterprobespiel-Techniken, Karriereplanung und künstlerischer Beratung stehen allen offen und der wunderbare Campus in Grafenegg bietet den perfekten Rahmen für die Entwicklung dieser Foren. Unsere Ziele bleiben Inspiration und künstlerische Diversifizierung des Musiklebens, und wir können das Zusammenkommen internationaler Musiker:innen für unser einzigartiges Projekt kaum erwarten.