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Hier spielt die Musik!

Die jüngere Generation am Pult
Alexander Moore
Bühne am Wolkenturm

Veröffentlicht: 23/08/2023

Willkommen, bienvenue, welcome!

Wenn Sie in Grafenegg am Wolkenturm Ihre Plätze einnehmen, erleben Sie meistens etwas in dieser Art: ein bisschen Plaudern rundherum, die eine oder andere herzliche Begrüßung, die letzten Zuspätkommenden finden noch rasch ihren Sitz … bis dann alles wie von selbst beginnt. Das Orchester betritt die Bühne, stimmt sich nochmals kurz ein und dann kommt der kurze Moment in stiller Spannung. Alle warten auf den Auftritt des Dirigenten – und erfreulicherweise auch immer häufiger auf die Dirigentin. Sie spielen im Konzert kein Instrument, sie singen nicht – und doch tragen Dirigent:innen die Musik in sich wie kaum jemand sonst. Ohne sie wären Konzerte, wie wir sie in Grafenegg erleben, einfach nicht möglich; darum wollen wir drei Persönlichkeiten vorstellen, die im Sommer 2023 bei uns am Pult zu erleben sind.

Vorstellungsrunde

Ladies first: Die Norwegerin Tabita Berglund ist Erste Gastdirigentin des Kristiansand Symphony Orchestra und hat allein in der Saison 2022/2023 renommierte Orchester aus Deutschland, Frankreich, Schweden, Spanien, Finnland und Großbritannien geleitet. In Grafenegg dirigiert sie das Tonkünstler-Orchester mit Werken von Tschaikowski und Prokofjew. 

Wir bleiben in Skandinavien: Santtu-Matias Rouvali kommt aus Finnland, ist Chefdirigent des Philharmonia Orchestra (London), des Gothenburg Symphony sowie Ehrendirigent und künstlerischer Leiter des Tampere Philharmonic Orchestra. Er dirigierte bereits u.a. die Berliner Philharmoniker, die Wiener Symphoniker, das Royal Concertgebouw Orchestra und das New York Philharmonic. In Grafenegg ist er mit dem Philharmonia Orchestra zu Gast, auf dem Programm stehen Werke von Elgar und Tschaikowski. 

Und zum Abschluss des diesjährigen Grafenegg Festivals betritt der gebürtige Tscheche Jakub Hrůša die Bühne. Er ist Chefdirigent der Bamberger Symphoniker, Erster Gastdirigent sowohl der Tschechischen Philharmonie und des Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia; ab 2025 wird er Musikdirektor der Royal Opera Covent Garden in London. In Grafenegg dirigiert er am letzten Abend Musik von Janáček, Enescu und Rachmaninow.

Ganz am Anfang…

Wie beginnt man eigentlich mit dem Dirigieren? Wann weiß man, dass dieser Beruf die richtige Wahl ist? Wir haben die drei Künstler gefragt: Tabita Berglund versuchte es 2015 mit einer Verdi-Ouvertüre beim Probespiel für einen Kurs und spürte sofort, dass sie diesen Weg gehen wollte. Ihr Kollege Santtu-Matias Rouvali sprang eines Tages für einen erkrankten Kollegen beim Finnischen Radio-Symphonieorchester ein und wusste nach dieser Erfahrung, dass das Dirigieren seine Welt sein würde. Und Jakub Hrůša erkannte mit etwa 15 Jahren, dass die Arbeit mit dem Orchester auf der Konzertbühne und im Orchestergraben seine Berufung war und ging danach sehr konsequent seinen Weg, indem er sich (teils autodidaktisch) ausbildete, selbst auch komponierte und so viele Aufführungen wie nur möglich hörte. Drei Jahre später studierte er an der Akademie in Prag.

Portrait von Dirigentin Tabita Berglund
Tabita Berglund © Nikolaj Lund

…und hoch hinaus!

Im Lauf der Jahre ändern sich manche Dinge. Man wächst mit den Erfahrungen und arbeitet beim Proben und im Konzert anders. Santtu-Matias Rouvali hat im Lauf der Jahre erkannt, dass man den Musiker:innen im Orchester mehr Vertrauen entgegenbringen muss – das berühmte «wissen, wann man führen oder das Orchester spielen lassen soll», wie Jakub Hrůša es nennt und die Ansicht seines Kollegen teilt: «Ganz allgemein gesagt, ich hoffe, dass mein Dirigieren weniger ichbezogen ist als noch vor ein paar Jahren. Es ist so auch viel vergnüglicher.» 

In unserer Welt mit ihren vielen Ablenkungen – Social Media, Lärm und der hektische Alltag – ist es im Dirigentenberuf besonders wichtig, Rezepte für den Umgang mit diesen Herausforderungen zu haben. Es ist schwieriger geworden, sich zu konzentrieren – hier sind sich die drei Dirigent:innen einig. Tabita Berglund hat für sich konsequent entschieden: «Ich bin nicht auf Social Media, habe mein Smartphone weggegeben und verbringe so viel Zeit in der Natur wie nur möglich.» Ganz ähnlich hält es auch Santtu-Matias Rouvali, der sich ebenso so viel wie möglich in der Natur aufhalten möchte, was «meinen Geist beruhigt.» 

Jakub Hrůša denkt in die gleiche Richtung und schlägt vor: «Subjektiv gesprochen, wenn wir ein Rauchverbot in Lokalen akzeptiert haben, würde ich ernsthaft erwägen, das auch auf Hintergrundmusik auszuweiten. Das konzentrierte Zuhören würde meiner Meinung nach sehr davon profitieren. Und die Menschen wären zufriedener, wenn sie ihre Aufmerksamkeit den Dingen schenken könnten, die sie lieben – und nachdem sie sich entschieden haben, was ihre Aufmerksamkeit verdient … Manchmal können wir dem ohrenbetäubenden Lärm nicht entfliehen, aber es ist so schön, mit Freunden beisammenzusitzen und in ein Gespräch vertieft zu sein!»

Jakub Hrůša
Jakub Hrůša © Petra Klackova

Stars unter Sternen

Nach 16 Jahren blickt Grafenegg auf eine beachtliche Geschichte zurück und hat schon viele international renommierte Orchester, Solist:innen, Dirigent:innen und Komponist:innen willkommen geheißen – aber natürlich gibt es immer noch für manche das berühmte erste Mal. Zwei unserer Dirigierenden sind 2023 erstmals in Grafenegg zu Gast. Santtu-Matias Rouvali gibt heuer sein Debüt: «Ich bin schon gespannt auf die besondere Atmosphäre!» Seine Kollegin Tabita Berglund gastiert ebenso erstmalig am Wolkenturm: «… nach allem, was ich gehört habe, bin ich schon sehr aufgeregt. Für eine Skandinavierin, die an Regen und sogar Schnee im Sommer gewöhnt ist, ist ein Erlebnis unter freiem Himmel in dieser Art wirklich etwas Besonderes.» 

Der Routinier unter den drei Dirigentinnen und Dirigenten ist Jakub Hrůša, er kann gleich über zwei schöne Erinnerungen berichten: «Einmal gab es ordentlich Regen bei einem Konzert der Wiener Philharmoniker und der Wechsel hinein in das Auditorium ging sehr rasch und reibungslos vor sich. Bei einem anderen Konzert dirigierte ich das Stück «Ex nihilo» von Matthias Pintscher ganz zu Beginn. Wie der Name schon suggeriert, beginnt das Werk mit kaum hörbaren Ereignissen – aber auf der Bühne des Wolkenturms spielte die Natur mit, besonders die Vögel, und das im Forte. Meine Frau erzählte mir danach, dass mein Stiefvater versucht hat herauszufinden, ob die Vogellaute nun Teil der Komposition waren oder einfach Zufall.»

Santtu-Matias Rouvali
Santtu-Matias Rouvali © Marco Borggreve

Und nach Grafenegg?

Nach ihren Konzerten in Grafenegg geht es natürlich für alle drei gleich weiter mit Auftritten in vielen Ländern: Tabita Berglund reist weiter nach Finnland und wird mit dem Tampere Philharmonic Orchestra arbeiten, ihr Kollege Santtu-Matias Rouvali wird sich in Schweden auf die Saisoneröffnung mit dem Gothenburg Symphony Orchestra vorbereiten und gleich danach zum Baltic Sea Festival und später nach Bukarest zum Enescu Festival fahren. Und Jakub Hrůša bleibt mit den Wiener Philharmonikern noch auf Tournee: die nächsten Stationen heißen Luzern, Bukarest, Prag und Paris. 

Da bleibt uns nur zu wünschen: Toitoitoi und auf ein baldiges Wiederhören!