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Inside Grafenegg Academy 2023

Wie werden Musiker:innen zum Star?
Grafenegg Academy

Veröffentlicht: 13/07/2023

Die Sommersaison in Grafenegg verspricht Jahr für Jahr neue Konstellationen von Musiker:innen, und gewährt damit einen Blick in die Zukunft der klassischen Musikszene. Es ist eine Zeit, in der wir alle, Publikum wie Musikschaffende unabhängig von der Herkunft, im Streben nach exzellenter Musik zusammenkommen. In diesem Sinne bringt die Grafenegg Academy jedes Mal im Juli junge und außergewöhnliche Musiker:innen zusammen, um in der inspirierenden Atmosphäre von Grafenegg zu musizieren und zu wirken. 

Doch wie der beschwerliche Weg zur Profimusiker:in gelingt und was wirklich vor einem großen Konzert passiert, bleibt dem Publikum oft verborgen. Trotz dessen sind die Allüren großer Künstler:innen immer Grund zur Bewunderung gewesen. Im Gespräch mit Academy Teilnehmer:innen gehen wir der Frage nach: Wie werden Musiker:innen zum Star?

Die ganze Welt in Grafenegg

Für die Teilnehmenden bedeutet der Beginn der Academy auch der Zugewinn von neuen Freundschaften und Perspektiven. Thomas Prem beschreibt die Grafenegg Academy als «eine große Familie, die gemeinsam Musik macht. Die Zeit ist unglaublich bereichernd, weil so viele Traditionen, Sichtweisen und Lebensläufe aufeinander treffen und man ein ganz anderes Bild davon erhält, wie Musik auf der ganzen Welt funktioniert».

«Die Menschen hier sind sehr offen und einladend, daher fühle ich mich sehr wohl. Hier sind Musiker:innen aus Ägypten, Ukraine, Kasachstan, Korea und ich selber bin aus Polen. Es ist super mit ihnen allen zu spielen».
Weronika Kisielnicka-Babij / Teilnehmerin Grafenegg Academy 2023

Die Essenz der Grafenegg Academy liegt in ihrer multikulturellen Aufspannung. Es finden sich in dieser Zeit Talente aus 29 Nationen, die jeweils ihre eigenen persönlichen Färbungen mitbringen. Davon lebt der musikalische Dialog. Die künstlerische Entfaltung nährt sich nicht allein durch das Training mit den Tutor:innen, die selbst renommierte Künstler:innen sind, sondern zusätzlich durch das Feedback der anderen Academy Teilnehmer:innen. Weronika Kisielnicka-Babij lobt die Atmosphäre im Park und im Schloss. Trotz vollgeplanter Tage sei es entspannend. «Die Menschen hier sind sehr offen und einladend, daher fühle ich mich sehr wohl. Hier sind Musiker:innen aus Ägypten, Ukraine, Kasachstan, Korea und ich selber bin aus Polen. Es ist super mit ihnen allen zu spielen».

Facettenreichtum

Dass klassische Musik vielfältig und spannend ist, zeigt Grafenegg. Obgleich von einigen das Gegenteil über sie behauptet werden mag. Dabei liegt es auf der Hand. Wie kann eine Musiktradition, die vom 9. Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht und zahlreiche Komponierende und Musiker:innen überspannt, nicht vielfältig sein? Dass wir mehrheitlich nur von der Epoche der Klassik zusammen mit der Romantik hören und in diesem Zusammenhang vor allem Bach, Beethoven, Mozart und Schubert mag diese Vorstellung verstärken, aber auch das wäre ein inhärenter Irrtum. Zwar haben diese Komponist:innen und Musikschaffenden einen Standard gesetzt, aber sie haben auch für ihre Zeit die Musik, aus der Auseinandersetzung mit ihren Vorgänger:innen und Zeitgenoss:innen neu entworfen. Bach ist nun mal nicht nur Bach, sondern die Aufführung wird immer auch von der Gestaltung der Interpret:innen geprägt. 

Die Auseinandersetzung mit dem Werk macht die Stücke auch nach tausenden Aufführungen noch spannend, denn es kreiert stets eine neue Version, die wir uns anhören können, als wäre es eine zeitgenössische Kreation. Diese vielfältige Auseinandersetzung mit Komponist:innen unterschiedlichster Kontexte wird auch am Wochenende des 15. und 16. Juli zu erleben sein. Besondere Spannung verspricht am Tag davor, dem 14. Juli 2023 das Konzert «Time & Mystery» um 20 Uhr, das exklusiv per Livestream zu erleben sein wird. Die Stimmung, insgesamt düster und geheimnisvoll gehalten, stellt den perfekten Rahmen, um die Vielschichtigkeit der Musizierenden darzubieten.

  • Grafenegg Academy
    Grafenegg Academy © Sofija Palurovic
  • Grafenegg Academy
    Grafenegg Academy © Sofija Palurovic
  • Grafenegg Academy
    Grafenegg Academy © Sofija Palurovic

Zukunft

Als Künstler:in ist man stets bestrebt, seine Fähigkeit zu verbessern, um der Musik gerecht zu werden. Ständiges Üben und Feilen an den eigenen Stärken und Schwächen strapazieren psychisch und körperlich. Viele üben unaufhörlich in dem Wissen, dass sie einen eigenen Zugang zu der Musik brauchen und über den gelernten Stil ihrer Mentor:innen hinauswachsen müssen, um erfolgreich zu werden. 

Der Wunsch zu herausragenden Leistungen sitzt tief und auf die eigenen Ansprüche treffen des Weiteren die harte Realität des Berufsmarktes auf die Musikschaffenden. Es reicht meist nicht aus sehr gut zu sein. Die Musiklandschaft fordert Perfektion, um als Profimusiker:in überleben zu können. Auch auf diese Wirklichkeit geht die Grafenegg Academy ein. 

In den Workshops steht nicht nur der musikalische Austausch und die Weiterentwicklung im Vordergrund, sondern ergänzend auch die Karriereplanung. Musiker:innen durchlaufen heutzutage in den seltensten Fällen eine klassische Laufbahn und müssen in dieser Hinsicht diversifizierter aufgestellt sein. 

Für Weronika Kisielnicka-Babij «ist es von immenser Bedeutung zu wissen, wie man seine Karriere plant. Dass diese grundlegenden Sachen auch besprochen werden, ist wichtig, denn man kann von der Erfahrung dieser erfolgreichen Tutoren lernen. Gestern haben wir zum Beispiel auch darüber geredet, wie man sich auf Vorspiele vorbereitet und an viele Aspekte hatte ich vorher nicht gedacht».

A star is born

«Die Academy ist sehr besonders, da du mit unglaublich motivierten Menschen zusammenkommst, die in ihrer Heimat vielleicht andere Dinge tun, aber wenn wir hier sind, haben wir ein gemeinsames Ziel vor Augen. Und zwar, gemeinsam exzellente Musik schaffen. Diese herausragende Motivation gibt der ganzen Sache die einzigartige Stimmung.»
Jakob Peäske / Teilnehmer Grafenegg Academy 2023

Das Konzept der Grafenegg Academy erweitert klassische Lehrmethoden um den sozialen Aspekt der Gemeinschaft. Die Ankunft von Jakob Peäske in Grafenegg ist von Nostalgie umhüllt: «Ich habe Grafenegg bereits vor sechs Jahren im Rahmen der EUYO-Sommerresidenz kennengelernt, als ich dort gespielt habe. Natürlich hat sich seitdem viel verändert und das Programm sieht nun anders aus. Die Academy ist sehr besonders, da du mit unglaublich motivierten Menschen zusammenkommst, die in ihrer Heimat vielleicht andere Dinge tun, aber wenn wir hier sind, haben wir ein gemeinsames Ziel vor Augen. Und zwar, gemeinsam exzellente Musik schaffen. Diese herausragende Motivation gibt der ganzen Sache die einzigartige Stimmung. Als Fagott-Spieler ist es für mich eine außerordentliche Ehre mit einem der besten Musiker dieses Instrumentes (Anm. d. Redaktion: Sebastian Stevensson) Einzelstunden zu haben und das macht auch nach Jahren der Erfahrung einen großen Eindruck auf mich. Der Gedankenaustausch hilft neue Ideen zu äußern und zudem den Prozess der Ideenentwicklung zu verbessern». 

Die Konzerte der Grafenegg Academy Ensembles, als auch das des Grafenegg Academy Orchestra versprechen Musik von herausragender Qualität. Nach intensiven gemeinsamen Proben, bei denen sie von und miteinander gelernt haben, ist es naheliegend bei ihren Konzerten nahezu Perfektion zu erwarten. 

Denn hinter jedem Star stehen zahlreiche wegweisende Mentor:innen, die bei der Verwirklichung der Visionen geholfen haben. Die Konzerte, welche im Rahmen der Grafenegg Academy gehalten werden, sind ebenso eine singuläre Erfahrung für das Publikum. Denn es bietet die Gelegenheit, zukünftige Stars aufblühen zu sehen. 

Die Künstler:innen mögen noch jung sein und sie mögen noch Jahrzehnte davon entfernt sein, als Koryphäe bezeichnet zu werden, aber es ist gewiss, dass einige von ihnen in der Zukunft von sich hören lassen werden. Es ist, als ob wir sehen könnten, wie sich die Zukunft vor unseren Augen entfaltet.

Grafenegg Academy
Grafenegg Academy © Sofija Palurovic
Konzert

Grafenegg Academy Orchestra

2023

Das Abschlusskonzert am Sonntag eröffnet die perfekte Möglichkeit die Vielseitigkeit der Spieler:innen zu demonstrieren Mit einer der späten Symphonien von Haydn, die reich an überraschenden Effekten ist, beginnt das Hörabenteuer am Wolkenturm, gefolgt vom 2. Violinkonzert von HK Gruber, der 2023 seinen 80. Geburtstag feiert. 

Den Solopart seiner «Nebelsteinmusik», benannt nach einer Erhebung im Waldviertel, spielt die gefeierte Geigerin Alina Ibragimova. Sie erweitert 2023 das bisherige Kuratoren-Duo der Grafenegg Academy. Ihre Kollegen Colin Currie und Håkan Hardenberger dirigieren nach der Pause eindrucksvolle Werke von Bartók und Ligeti. Bartoks Tanz-Suite in sechs Sätzen (1923) vereint Elemente der Volks- und Tanzmusik mit großen symphonischen Melodien und die Solopassagen geben einzelnen Instrumentengruppe die Möglichkeiten zu glänzen.