Vom Kreislauf des Wassers und des Lebens
Meereswogen in GrafeneggVeröffentlicht: 30/01/2018
«Das Meer und mehr» lautet der Titel des nächsten Konzerts in Grafenegg. Jun Märkl dirigiert am 10. März 2018 neben romantischer und impressionistischer Musik auch ein Werk des Japaners Toshio Hosokawa, das 2005 von den Wiener Philharmonikern unter Valery Gergiev uraufgeführt wurde.
Lesen Sie die Gedanken des Komponisten zu «Circulating Ocean».
Meereswogen in Grafenegg: Das Schlossklänge-Konzert am 10. März 2018 steht ganz im Zeichen der wallenden See. Mit der Ouvertüre zu Wagners «Fliegendem Holländer» nimmt das Konzert des Tonkünstler-Orchesters unter Jun Märkl Fahrt auf, in Elgars «Sea Pictures» wird der Meeres- zum Seelenspiegel. Und am Ende stehen Debussys berühmte symphonische Skizzen «La Mer». Dazwischen reiht sich mit «Circulating Ocean» ein Werk von Toshio Hosokawa, dem wohl bedeutendsten lebenden Komponisten aus Japan. Uraufgeführt wurde das oft gespielte Stück 2005 von den Wiener Philharmonikern unter Valery Gergiev.
Toshio Hosokawa wurde 1955 in Hiroshima geboren. Nach ersten Klavier- und Kompositionsstudien in Tokyo kam er 1976 nach Berlin, um an der Hochschule der Künste bei Isang Yun Komposition zu studieren. Von 1983 bis 1986 setzte er seine Ausbildung an der Hochschule für Musik in Freiburg bei Klaus Huber fort. Erst in Deutschland wurde ihm bewusst, «was es heißt, ein Asiate zu sein». Aus der Distanz begann er, sich grundlegend mit der traditionellen Musik seiner Heimat auseinander zu setzen. Hosokawas Kompositionen sind heute von der westlichen Theorie – von Schubert bis Webern – in gleicher Weise beeinflusst wie von der traditionellen japanischen Musikkultur. Auffällig ist sein starker Bezug zum Wasser.
Über «Circulating Ocean» schrieb er wie folgt:
«Seit einigen Jahren widme ich meine Werke dem unerschöpflichen Thema «Ozean». Ich versuche, das Fließen und die Bewegungen des Wassers in Klänge zu verwandeln, wobei der Klang das Wasser darstellt. Für mich ist der Ozean, das Meer, die Wiege des Lebens, ein Wesen mit unendlicher Tiefe und Weite. Die heranrollenden und sich wieder zurückziehenden Wellen sind wie eine «Stimme aus der Unendlichkeit».
Wasser verdunstet aus dem Ozean, steigt in den Himmel auf und wird zu Wolken. Die Wolken werden schließlich zu Regen, der wieder ins Meer strömt. Sie formen sich dann zu einem Sturm, und das Meer tobt. Mit der Zeit lässt der Sturm nach und der Ozean gewinnt eine tiefe Stille zurück. Dann steigt das Wasser wieder als Nebel zum Himmel auf. Dieses Bild habe ich als Grundlage für die Musik gewählt.
Ich verstehe den Kreislauf des Wassers auch als menschlichen Lebenszyklus. Geboren von einem immensen, grenzenlosen Wesen erklimmen wir die Höhen des Lebens, beginnen dann unseren Abstieg, erleben heftige Stürme und kehren wieder in einen Ozean tiefer Stille zurück. Schließlich steigt das Leben wieder in den Himmel. Ich wollte den Weg dieses zirkulierenden Lebens in Musik ausdrücken.
Das Orchester gleicht hier dem traditionellen japanischen Instrument Shô, einer Art Mundorgel. Beim Shô-Spiel wird der Ton durch Ein- und Ausatmen erzeugt. Der Klang, der durch das Ausatmen entsteht, kommt durch das Einatmen zum Spieler wieder zurück. Diese Wiederholung erzeugt eine zyklische Periode. Die Wellen des Meeres werden durch eine Wellenbewegung des Klangs dargestellt, die an- und abschwellend in Richtung des Zuschauerraums ein- und ausschwingt. Die immer wiederkehrende Wellenbewegung wird von den verschiedenen Instrumentengruppen wiedergegeben. Nach dem tosenden Sturm erlangt der Ozean eine tiefe Stille und das Wasser steigt als Dunst wieder in den Himmel. Wenn der Ozean in der ungelösten Verschwommenheit des Nebels verschwindet, ahnen wir eine Wiederkehr des Lebens.»