«Meet the artist» Andrej Hermlin
Künstler:innenportraitVeröffentlicht: 26/06/2025
Tauchen Sie ein in die pulsierende Welt des authentischen Swing: Im Interview gewährt Andrej Hermlin faszinierende Einblicke in die musikalische Reise des Bandleaders des Swing Dance Orchestra – das im Sommer auch live am Wolkenturm zu erleben ist!
«Was ich sagen kann, ist, dass es viel Neues geben wird. Wir spielen weiterhin Musik von Benny Goodman oder Glenn Miller, aber in unseren eigenen Arrangements. [...] Ich freue mich riesig darauf, bald wieder in Grafenegg zu sein!»
Andrej Hermlin
Bereits im Jahr 1986 haben Sie den Grundstein für das Swing Dance Orchestra gelegt.
Was können Sie uns über die Entstehungsgeschichte erzählen?Also eigentlich reicht das zurück in meine früheste Kindheit, denn ich habe mich als Dreijähriger in diese Musik verliebt. Mein Vater Stephan Hermlin, der ein berühmter Schriftsteller war, hörte in erster Linie klassische Musik, aber er besaß eben auch einige Jazz-Schallplatten, und hin und wieder legte er die auf.
Die Erzählungen meiner Eltern sind so, dass ich immer, wenn diese Musik erklang, die Treppe herunterkam und mich dann neben den Lautsprecher setzte.
Ich war also drei oder vier Jahre alt, als ich Django Reinhardt und Stephane Grappelli hörte und Benny Goodman für mich entdeckte. Und das löste irgendetwas in mir aus, was ich nicht wirklich erklären kann. Ich bezeichne das immer als den dicken roten Strick, der sich durch mein Leben zieht, weil mich diese Liebe nie wieder verlassen hat. Und dann später, vielleicht mit zehn oder zwölf Jahren, träumte ich bereits davon, ein großes Orchester zu haben, wie das von Benny Goodman und die Welt damit zu bereisen. Ich hatte das Glück, angenommen zu werden an der Musikhochschule Hanns Eisler hier in Berlin. Abteilung Tanz- und Unterhaltungsmusik nannte sich das damals zu DDR-Zeiten. Das war im weiteren Sinne eine Jazzabteilung.
Dort habe ich studiert, und mit Beginn des Studiums habe ich meine erste Band gegründet. Die Ursprünge diese Band reichen zu meinem Abiturball zurück.
Die Ehefrau meines Musiklehrers arbeitete zu jener Zeit beim DDR-Fernsehen und lud uns in eine Fernsehshow ein. Die Band hatte nicht einmal einen Namen, aber wir versprachen einander, nach der Wehrdienstzeit weiter gemeinsam Musik zu machen.
Wir trafen uns in leicht veränderter Besetzung Ende 1986 wieder und haben bald darauf die Swing Dance Band gegründet, zugegeben, kein besonders origineller Name. Das war eine viel kleinere Besetzung als jene, mit der wir jetzt nach Grafenegg kommen werden.
Wenn Sie sich heute an die DDR erinnern: Die Berliner Mauer hat kürzer existiert, als es sie mittlerweile nicht mehr gibt, schon 2029 feiert man 40 Jahre Mauerfall.
Wie lief das für das Swing Dance Orchestra in den ersten Jahren?Wir hatten von Anfang an recht viel zu tun. Wir spielten in den Jugendclubs der DDR. Das war etwas, was es heute so nicht mehr gibt. In fast jedem Ort des Landes gab es einen sogenannten Jugendclub, wo Kulturveranstaltungen aller Art stattfanden, und dort wurde man dann engagiert. In der DDR war das alles ziemlich restriktiv. Nicht unbedingt in Fragen der Politik, sondern eher, was das Vereinbaren von Verträgen anbelangt. Das war alles sehr genau geregelt.
Wir spielten später auch bei allen möglichen größeren Veranstaltungen, zum Beispiel im Palast der Republik. Da gab es so eine Reihe «Jugend im Palast» mit vielen höchst unterschiedlichen Künstlern aller Genres.
Wir hatten dann übrigens einen außergewöhnlichen Auftritt am 7. Oktober 89 zum 40. Jahrestag der DDR. Man hatte mich ein Dreivierteljahr zuvor engagiert, und kurz vor dem Termin versuchten mich Freunde zu überreden, das abzusagen aufgrund der politischen Situation im Land. Ich habe das abgelehnt, weil ich dort eine Rede halten wollte, was ich dann auch gemacht habe.
Eine regimekritische Rede wohlgemerkt, ganz im Sinne von Gorbatschow.
Es war die einzige politische Rede dieser Art an jenem Abend. Die Jugendclubs verschwanden ab 1989 nach und nach, die Konzert- und Gastspieldirektion verschwand, und man musste sich selbst bemühen um Auftritte und neue Verbindungen.
Bei uns ging das überraschend gut.
Was der Sache später einen großen Schub gab, war die Vergrößerung der Band im Zuge der erfolgreichen Reise nach New York 1999 und 2000.
Anfang 2001 hatte die Big Band ihre erste Show im Wintergarten Varieté, und mit der Gründung des Orchesters ging die Möglichkeit einher, große Konzerte zu geben in der Philharmonie in Berlin, im Prinzregententheater in München und nicht zuletzt auch in Grafenegg.
Im Swing Dance Orchestra tragen noch zwei weitere Mitglieder ihren Nachnamen.
Wie geht es Ihnen damit, dass auch Ihre Tochter und Ihr Sohn in die Fußstapfen ihres Vaters getreten sind?Ich habe weder meine Tochter noch meinen Sohn je dazu überreden müssen. Vielmehr ist es so, dass die beiden ein unglaubliches Talent haben, das weit hinausgeht über das Talent ihres Vaters, um es deutlich zu sagen.
Mein Sohn ist inzwischen musikalischer Direktor des Orchesters, er wird es in Kürze auch formal übernehmen. Wir haben einen Arrangeur gefunden, der unsere Musik völlig verändert hat, indem er nämlich selbst Arrangements schreibt.
Wir spielen nicht mehr die Arrangements andere Orchester nach, wie wir das früher gemacht haben.
Der Arrangeur, von dem die Rede ist, ist mein Sohn David. Er ist zudem Schlagzeuger und Sänger des Orchesters. Das alles ist eine völlig neue Situation.
Das Orchester, das wir jetzt in Grafenegg präsentieren werden, unterscheidet sich infolgedessen stark von dem Orchester, das früher in Grafenegg war. Kurz: Ich freue mich sehr, dass wir diesen Familienbetrieb haben, weil es eine enge Bindung erzeugt zwischen meiner Tochter Rachel, meinem Sohn David und mir.
Beide sind großartige Menschen geworden oder waren es vielmehr schon immer, weil sie gute Herzen haben, weil sie klug sind, weil sie sehr sozial sind und man gerne in ihrer Nähe ist.
Und ich weiß das Orchester in besten Händen.
Ich werde jetzt im September 60, ich werde natürlich weiter Klavier spielen, aber es geht auch ohne mich weiter. Das ist ein großes Glück.
Sie kennen Grafenegg aufgrund Ihrer mehrmaligen Auftritte hier sehr gut.
Was verbinden Sie mit Grafenegg?Ganz viel. Zunächst einmal verbinde ich natürlich sehr viel mit dem Land, für mich ist Österreich Heimat. Das kann gar nicht anders sein, weil ich es seit meiner frühesten Kindheit kenne. Es gibt bestimmte Orte, die ich über alles liebe. Ich habe Wien spät kennengelernt, habe aber die Stadt sehr gern. Vor allen Dingen fühle ich mich in den Alpen sehr wohl, insbesondere in Tirol. Wenn ich da nur die frisch gemähten Wiesen rieche, fühle ich mich sofort zu Hause. Das treibt mir die Tränen in die Augen. Grafenegg ist eine wunderschöne Anlage, auch die Bühne ist grandios. Der Blick, wenn Sie auf dieser Bühne stehen, ins Halbrund, das ist kaum zu übertreffen. Ja, und dann natürlich das großartige Essen. Mein geliebtes Wiener Schnitzel, das ich da immer kriege, absolut legendär. Ich sage, es gibt tolle Schnitzel in Wien und es gibt tolle Schnitzel in Salzburg. Aber nichts geht über Grafenegg.
«Grafenegg ist eine wunderschöne Anlage, auch die Bühne ist grandios. Der Blick, wenn Sie auf dieser Bühne stehen, ins Halbrund, das ist kaum zu übertreffen.»
Am 26. Juli ist das Swing Dance Orchestra wegen des stets großen Erfolges zum wiederholten Mal in Grafenegg zu Gast.
Was können Sie uns über das Programm verraten?Was ich sagen kann, ist, dass es viel Neues geben wird. Wir spielen weiterhin Musik von Benny Goodman oder Glenn Miller, aber in unseren eigenen Arrangements.
Die damaligen Orchester hatten ja auch stets ihre eigene Arrangeure. Und wann immer ein neues Lied herauskam, in Hollywood oder am Broadway und das hatte Erfolg, schrieben die Arrangeure Spezialversionen dieser Hits für das jeweilige Orchester. Und so machen wir das jetzt auch. David schreibt für uns maßgeschneiderten Arrangements, die wir natürlich auch in Grafenegg spielen werden. Bekannte Titel wie «Begin the Beguine» oder den «Royal Garden Blues» etwa, den Rachel singen wird. Es wird so mancher Klassiker aus der Zeit der 1930er und 1940er Jahre zu hören sein, und es wird auch ein, zwei eigene Kompositionen geben, die sich im Klang nicht unterscheiden von den Titeln aus jener Zeit, die aber neu geschrieben sind: Ich freue mich riesig darauf, bald wieder in Grafenegg zu sein!
Swinging Hermlins
Swing Dance Orchestra · Andrej Hermlin · Rachel Hermlin
SWING MUSIC OF THE 1930s