Chamber music concert in the Auditorium Grafenegg

Matineen

Concert in the Auditorium © Lisa Edi

Matineen in Grafenegg

Morgenstund’ hat Gold im Mund: Wer kennt nicht solche und ähnliche Spruchweisheiten, die uns zum frühen Erwachen anhalten sollen? Doch steckt eine tiefere Wahrheit drin, in dieser Morgenstund’ und ihrem Gold. All jene, die schon einmal einen Sonnenaufgang über dem Schlosspark in Grafenegg erlebt haben, kennen das goldene Licht, das die Gebäude und die Landschaft vor allem an den Sommertagen in ein besonderes Licht tauchen. Während vormittags an den Festivalsonntagen von Mitte August bis Anfang September in den Grashalmen die letzten Tautropfen verdunsten, proben die ersten Ensembles im Auditorium und machen sich für ihren Auftritt bereit: Seit 2013 ziehen die Matineen in Grafenegg jene Menschen an, die den späten Vormittag der Musik widmen wollen. Der Konzertbeginn um 11 Uhr und ein Ende spätestens um 13 Uhr lässt sich ideal mit einem nachfolgenden Mittagessen direkt vor Ort oder in der näheren Umgebung verbinden. 

Im Jubiläumsjahr 2026 singt Piotr Beczała mit Sarah Tysman am Klavier herzergreifende Lieder aus seiner Heimat und anderen Ländern Osteuropas; die Festival Strings Lucerne spielen unter anderem Wolfgang Amadeus Mozarts himmlisches Konzert für Flöte, Harfe und Orchester mit dem Duo Karl-Heinz Schütz und Anneleen Lenaerts aus den Reihen der Wiener Philharmoniker. Rudolf Buchbinder, Nikolaj Szeps-Znaider und Gautier Capuçon tauchen mit den Klaviertrios B-Dur D 898 und Es-Dur D 929 tief ein in die himmlische Welt Franz Schuberts. Zum Abschluss der Matineen durchstreift das berühmteste Violoncelloensemble der Welt die Musikgeschichte auf der Suche nach der besten Musik aller Genres.

Slawisches Liedgut als Herzenssache

Ganz im Zeichen großer Lieder steht die Matinee am ersten Festivalwochenende, die kein Geringerer als Piotr Beczała gemeinsam mit der französischen Liedpianistin Sarah Tysman gestaltet. Der Startenor und Publikumsliebling von der Wiener Staatsoper bis zur New Yorker Met, der seit Jahrzehnten im Mittelpunkt jeder Opernaufführung steht, schmettert an diesem Vormittag also keine Opernarien. Nein, er taucht stattdessen tief ein in eine Welt, die das, was man gemeinhin als «slawische Seele» verstehen mag, am schönsten offenbart. Er verbindet die außerhalb seines Heimatlandes Polen wenig bekannten, innig-expressiven Lieder seines Landsmanns Mieczysław Karłowicz mit großen romantischen Liedern von Antonín Dvořák, Pjotr Iljitsch Tschaikowski und Sergej Rachmaninow. Karłowicz komponierte innerhalb dreier Jahre 17 Lieder, die bei der Matinee gesungene Auswahl zeigt sein untrügliches Gespür für die menschliche Stimme und ihre Ausdrucksmöglichkeiten. Dabei vermochte er, wie etwa auch Antonín Dvořák, den schlichten Volkston mit der durchaus modernen Tonsprache seiner Zeit wie selbstverständlich in eine Einheit zu bringen. Piotr Beczała ist es unter anderem zu verdanken, dass diese Schätze der Liedkunst des ausgehenden 19. Jahrhunderts den Weg zurück in den Konzertsaal gefunden haben. Manche dieser stets ganz ins Herz treffenden Stücke scheinen wie geschaffen für die Opernbühne, der Beczała in drei Arien aus Tschaikowskis «Eugen Onegin», Dvořáks «Rusalka» und Stanisław Moniuszkos «Straszny Dwór» an diesem Vormittag auch seine Reverenz erweist. 

Berühmtes Kammerorchester

Vor gut sieben Jahrzehnten formierte sich in Luzern ein Kammerorchester, das zur Weltklasse des Genres zählt. Es war am 26. August 1956, als die von den Geigern Wolfgang Schneiderhan und Rudolf Baumgartner ins Leben gerufenen Festival Strings Lucerne ihr Gründungskonzert spielten. Kurz vor ihrem 70. Geburtstag macht das weltberühmte Ensemble mit seinem künstlerischen Leiter Daniel Dodds in Grafenegg Station – mit einem traumhaften Programm: Edward Elgars frühe Streicherserenade vereint in ihren drei Sätzen pastoral-elegisches Idyll mit Spielwitz, während Wolfgang Amadeus Mozarts «Jupiter»-Symphonie hinter der majestätischen Maske sofort die andere, melancholisch-tragische Seite seiner Seele und seiner Musik offenbart. Sein Konzert für Flöte, Harfe und Orchester zählt nicht zuletzt wegen der ungemein sensiblen Instrumentierung zu seinen innigsten Schätzen, ideal für das erlesene Duo aus den Reihen der Wiener Philharmoniker, Soloflötist Karl-Heinz Schütz und Soloharfenistin Anneleen Lenaerts. 

Himmlische Klaviertrios

Was für Mozart Musik gilt – die oft raschen Wechsel oder sogar die Gleichzeitigkeit von Lebensfreude und Trostlosigkeit –, fand in den Werken Franz Schuberts seine Vollendung. Schuberts zwei große Klaviertrios wirken wie losgelöst von Raum und Zeit. Sie entstanden wie nebenbei, im Falle des B-Dur-Trios weiß man nicht einmal, wann. Als die Druckausgabe des Es-Dur-Trios im Dezember 1828 ausgeliefert wurde, war Schubert schon tot. Das B-Dur-Trio erschien überhaupt erst 1836. Und trotz dieser ungünstigen Umstände zählen beide Werke heute zu den Höhepunkten des Genres, ihr Zauber hält uns bis heute fest in ihrem Bann. Sie sind zeitlos, wirken stets unmittelbar und beinahe wie soeben komponiert, vereinen einen zupackenden, ungemein energetischen Impetus mit den traurigsten und tiefsten Momenten, die es in der Musik gibt. Rudolf Buchbinder faszinieren diese Trios bereits sein ganzes Pianistenleben lang. Bei der Matinee in Grafenegg lud er sich zwei kongeniale Partner ein, mit denen ihn langjährige künstlerische Freundschaften verbinden: den Geiger Nikolaj Szeps-Znaider und Gautier Capuçon am Violoncello.

Rudolf Buchbinder is playing the piano in the concerthall Auditorium in Grafenegg
Rudolf Buchbinder © Klaus Fritsch

Violoncello-Zauber

1972 ist das Gründungsjahr eines berühmten Streicherensembles, das aus einem vollen Dutzend Violoncelli besteht. Die Violoncellogruppe der Berliner Philharmoniker kam damals im Studio zusammen, um auf Wunsch des ORF Salzburg Julius Klengels «Hymnus» einzuspielen. Gesagt, getan, fand man Gefallen am Spiel ganz unter sich – und blieb dabei. Seit mehr als 50 Jahren konzertieren die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker zusammen und gestalten am finalen Festivalsonntag 2026 eine Matinee in Grafenegg. Was diese zwölf Streicher machen, würde mit einer anderen Instrumentengruppe kaum so gut funktionieren. Was diese zwölf Streicher seit Jahrzehnten machen, würde mit einer anderen Instrumentengruppe kaum so gut funktionieren. Denn die zweitgrößten Vertreter der Streicherfamilie steigen auf in hohe Lagen und sorgen gleichzeitig für ein tiefes Fundament, bieten facettenreiche Klangfarben und halten geklopft und geschlagen selbst als Rhythmusgruppe her. So vielfältig wie die musikalischen Möglichkeiten ist auch ihr stilistischer Einsatz – eine Bandbreite, die vom bereits erwähnten «Hymnus» über französische Chansons bis hin zu Jazz mit amerikanischem Ursprung und ebenbürtig arrangierter Filmmusik reicht. 

© Lisa Edi
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